Statement

Statement zur Generativen Kunst
- ein Beispiel von Günter Schulz

Generative Kunst kann entstehen, wenn eine Bildvorstellung in ein Gestaltungskonzept und dieses in digitalen Code umgesetzt wird. Seine Ausführung durch ein Computersystem zielt nicht auf nur ein Ergebnis, sondern liefert beliebig viele Vorschläge für die Realisierung des Gestaltungskonzeptes. Fast immer folgt dann eine ausgedehnte Phase der Modifikation des Programms, bis die Resultate der ursprünglichen Bildvorstellung entsprechen oder diese übertreffen. Abschließend entscheidet der Künstler, welche Variante die geeignete für ein „starkes“ Bild ist.
Abbildung Wege zur Generativen Kunst
An einem Beispiel soll dieser Prozess dargestellt werden.

Elemente

Kreisfläche, Halbkreislinie, kleines und großes Dreieck und zwei Rechtecke unterschiedlicher Form und Größe sind die Elemente, aus denen mit Hilfe eines digitalen Prozesses ein Bild entstehen soll.
Abbildung 1 zeigt die Elementarformen und legt die Drehpunkte (kleine weiße Kreise) fest, um welche die 6 Flächen auf dem Bildgrund rotieren sollen.
Abbildung zu Elementen der generativen Kunst
Das unterlegte Rastergitter lässt Größenbeziehungen erkennen: die längsten Seiten von großem Dreieck und Rechteck sind so lang wie der Durchmesser der Kreisfläche. Die Seiten des kleinen Rechtecks (Quadrat) sind ein Achtel der längsten Flächenseiten.
*) Die Rasterquadrate der Tableaus haben als Seitenlänge den Kreisdurchmesser d.

Regeln

Nach folgenden Regeln werden aus den Elementen Module zusammengefügt.
Abbildung zu Regeln der Generativen Kunst
Regel 1
Die Drehungen sind auf 90°-Schritte festgelegt, bei den Rechtecken sind zusätzlich 45°-Drehungen möglich.

Abbildung zu Regeln der generativen Kunst
Regel 2
Jedes Element erscheint in einer von 8 definierten Farben vor 8 unterschiedlichen Grauwerten im Hintergrung . Die Zuordnung erfolgt zufällig. Dabei können verschiedenen Elementen eines Moduls dieselbe Farbe zugeordnet werden.

Abbildung zu Regeln der Generativen Kunst
Regel 3
Die rotierten und gefärbten Elemente werden der „Größe“ nach geordnet übereinander zu einem Modul zusammengesetzt: Also beginnend mit der Kreisfläche, dann großes Rechteck, großes Dreieck, Kreisbogen, kleines Dreieck und schließlich das kleine Rechteck (Quadrat). Letzteres wird nur mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,5 gesetzt.

Module

Abbildung von 4 Modulen zu einem Beispiel  der Generativen Kunst
Jedes Modul für sich erfüllt bereits zumindest zwei Bedingungen für ein Bild, das Aufmerksamkeit erregt. Es wird intuitiv als Ordnungsgefüge wahrgenommen, allerdings mit aufkeimender Irritation. Dadurch, dass verschiedene Elemente gleichfarbig erscheinen, entstehen Vermischungen, Unklarheiten, die unsere Neugierde wecken. Es beginnt ein gedankliches Spiel der permanenten Umdeutung sinnlicher Reize, das seinen Zweck in sich selber hat. Das „interesselose Wohlgefallen“ schlägt den Betrachter in seinen Bann und verlangt nach mehr. Ein Tableau aus 9 Modulen erweitert das Spielfeld.
Abbildung von 9 Modulen zu einem Beispiel  der Generativen Kunst

Tableau

Ein Beispiel mit 81 Modulen zeigt, wie Quantität in Qualität umschlagen kann. Fragen tauchen auf: Gibt es in diesem Feld vielleicht zwei genau gleiche Module? Wo haben sie sich versteckt? Wie viel verschiedene Module sind überhaupt möglich? 6 Formen in jeweils 4 bis 8 Positionen bei acht verfügbaren Farben? Welche Rolle spielen die 8 verschiedenen Grautöne der Hintergrundquadrate?
Und überhaupt: Könnte man allen Bürgern Deutschlands  eine dieser Tafeln mit 9 mal 9 Modulen schenken, und zwar jedem eine, die sich von allen anderen unterscheidet? Berücksichtigt man, dass jeder Ausdruck vom vorherigen Ausdruck verschieden ist, wenn die 81 Module fortwährend ihre Plätze tauschen, wäre das kein Problem. Es gibt nämlich mehr als 5,7  x 10 120 verschiedene Möglichkeiten, 81 Module auf einem „Schachbrett“ mit 9 x 9 Feldern zu platzieren, so dass nach der Verteilung von 80,2 Millionen Bildern an die Bevölkerung Deutschlands auch alle übrigen Bewohner von Mutter Erde bedacht werden können. Und auch danach bleibt noch ein erheblicher Rest, der für Bewohner von Mond und Mars und intelligente Wesen auf bisher unerforschten Planeten ferner Galaxien zur Verfügung steht.
Abbildung von 81 Modulen zu einem Beispiel  der Generativen Kunst
Angesichts dieser unvorstellbaren Zahl von Einzigartigkeiten erscheint die Frage nach einem „Original“ paradox.
 

Download - Der Code zu den Beispielbildern (processing 3.3)

Code herunterladen
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